Für viele ein Tag, der nur Unglück bringt.
Für einige ein Horrofilm.
Für mich ist es ein ganz besonderer Tag, der positiver nicht sein kann, denn an diesem Tag brachte mir ein fremder Mann einen großen Karton, einfach so, und fuhr dann wieder weg.
Hmm... Ein Karton... für mich? Sind da Geschenke drin? Ja, ist denn schon Weihnachten?!?
Oder ist das vielleicht...??
*ritsch ratsch*
Schnell war der Karton geöffnet und zum Vorschein kamen viele verschiedene Sachen, alles schön geordnet und verpackt. Ich schaute mir alles neugierig an und als ich die vielen kleinen Päckchen nach und nach aus dem Karton heraus nahm, erblickte ich ihn!
Nackt.
Reglos.
In einer Plastikfolie eingeschlossen.
Um himmelswillen! Der arme Kerl bekommt doch keine Luft mehr!!
Schnell griff ich nach dem Küchenmesser, mit dem ich bereits den Karton aufschlitzte, und durchstach vorsichtig die Folie, riss sie auseinander und schlang meine Arme um den zierlichen Körper, um ihn anzuheben.
Uff, ganz schön schwer!
Ich brauchte eine ganze Weile, um ihn aus seinem postalen Gefängnis zu befreien. Dann lag er da, starr und kalt. Jetzt durfte ich keine Zeit mehr verlieren und sollte schleunigst Wiederbelebungsmaßnahmen ergreifen.
Oh je. Mein Erste-Hilfe-Kurs liegt schon ewig zurück. Wie ging das denn nochmal???
Ob mir die Checkliste weiterhelfen kann? Mal sehen...
Name: Luca Samuel
Größe: 160 cm
Gewicht: gefühlte 100 kg
Augenfarbe...
BRRBLFF!!
Was war denn das?
Schnell weiterlesen, die Zeit drängt.
Augenfarbe: grün
Hautton...
GRR! HLSMPFT!
Schon wieder! Wo kommt das denn her?
Im Augenwinkel vernahm ich eine Bewegung und drehte mich reflexartig um.
Da saß Luca wie ein Häufchen Elend auf dem Teppichboden und fuchtelte wild mit seinen Händen vor seinem Gesicht herum.
"Willst du jetzt eine Mund-zu-Mund Beatmung haben?"
Wie in einem Anflug von Panik öffnete er den Mund und zeigte mit einem Finger hinein.
"Ach herrje. Kein Wunder, dass du so komische Grunzlaute von dir gibst.
Da fehlt ja die Zunge!"
Vorhin habe ich doch eine kleine Zunge gesehen. Ja, da ist sie!
Vorsichtig öffnete ich seinen Mund und schob ganz langsam die Zunge in die Mundhöhle. Schnell hat er sich beruhigt und schaute mich zufrieden an.
"Xie xie!"
Richtig. Er kommt ja aus China. Ein paar Brocken kann ich.
"Zao shang hao, Luca. Ni hao ma?"
"Wo hen hao, xie xie.
Ich verstehe auch deutsch."
"Oh. Das ist aber eine Überraschung. Wo hast du das denn gelernt?"
"Während eines Zwischenstopps in Hamburg bekam ich einen Sprachkurs von den netten Jungs dort."
So so. Sprachkurs... In Hamburg...
Während ich mich freute, dass wohl auch Sprachkurse zum Service gehören, entriss Luca mir die Checkliste, die ich immer noch krampfhaft in den Händen hielt. Belustigt beobachtete ich, wie er versuchte zu lesen, denn er hielt die Blätter falsch herum, so dass die Buchstaben auf dem Kopf standen.
Es verging eine Weile, bis er selbst drauf kam, welhalb ich ihn wie blöde angrinste. Dann drehte er die Blätter richtig herum und began doch tatsächlich vorzulesen.
"... Ausstattung... Zubehör... bla bla... Überprüfung des Kartons ... bla bla...
Prüfung sämtlicher Gelenke... Das klingt ja lustig. Bekomme ich anschließend eine Massage?"
Er will eine Massage...
"Die könnte ICH jetzt gut gebrauchen."
Aua. Mein Rücken.
Lachend widmete er sich wieder der Liste zu.
"... Überprüfung der Oberfläche... bla bla... Überprüfung des Intim Bereichs. Ach, das kannst du getrost überspringen, bei mir ist alles in bester Ordnung."
Ach Luca, wenn du wüsstest...
Mir kamen die verschiedenen Päckchen wieder in den Sinn, dann erinnerte mich an ein ganz bestimmtes und konnte mir ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen.
Er schaute mich irritiert an, dann wanderte seine Hand runter zu der bequemen Stoffhose, die ich ihm zwischenzeitlich übergezogen habe und hob diese etwas an.
Plötzlich weiteten sich seine Augen panisch und aus seinem Mund ertönte ein markerschüttender Schrei.
"Oh mein Gott!! Was ist mit mir passiert?? Hilfe!!! Wo ist mein Penis???"
Völlig verstört und am ganzen Körper zitternd, schaute er immer noch fasssungslos an sich herab. Währenddessen kullerten Tränen über seine Wangen.
"Ach Luca. Jetzt beruhige dich wieder. Es ist alles da. Dein Penis befindet sich in Sicherheit. Schau mal hier."
Ich übergab ihm den Plastikbeutel, dann schlang ich meine Arme um ihn, drückte ihn fest an mich und wischte ihm zärtlich die Tränen aus seinem Gesicht.
Wir standen eine Weile so da, bis Luca sich von mir löste und mich flehend ansah und auf den Plastikbeutel deutete.
"Bitte mach das wieder dran!"
"Das werde ich. Versprochen!"
Ich schaute auf die Uhr.
"Was hältst du davon, wenn wir erstmal etwas essen, es ist schon spät geworden und ich denke, wir sind nun mit der Checkliste durch."
"Ja,ok."
Ich fragte mich, wann er wohl das letzte Mal was gegessen hat, er war ja eine lange Zeit unterwegs.
Ob er überhaupt jemals schon was gegessen hat.
Der arme Kerl...
Nachdem Luca sich wieder beruhigt hatte, beschloß ich, dass es langsam Zeit wird, ihn aus der "Anlieferungszone" herauszubringen und ihm sein neues Zuhause vorzustellen.
Von draussen erklangen Geräusche aus der Ferne. Ich öffnete die Tür und schaute kurz heraus.
War ja klar, dass ausgerechnet jetzt die Nachbarn von der Arbeit nach Hause kommen...
"Bitte mach die Tür wieder zu. Es ist furchtbar kalt!!"
"Bist du solche Temperaturen denn nicht gewöhnt? Viel wärmer dürfte es in China doch auch nicht sein."
"Nein, das nicht, aber da wäre ich bestimmt nicht so spärlich bekleidet."
Meinetwegen könnte er den ganzen Tag nackt rumlaufen, aber diese Bemerkung verkniff ich mir lieber. Also kramte ich ein weiteres Shirt hervor und übergab es Luca. Etwas unbeholfen zog er sich das Shirt an.
Draussen plätscherte es immer noch vom Regen.
Als weiteren Schutz gab ich ihm meine Jacke.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass draussen wieder Ruhe eingekehrt ist, platzierte ich Luca auf einen Drehstuhl mit Rollen und schob ihn vorsichtig vorwärts.
Wir hatten bereits die Hälfte des Weges unbemerkt hinter uns gelassen, da streckte Luca plötzlich seine Arme und Beine in alle Himmelsrichtungen aus und zappelte ganz aufgeregt.
"Ist das herrlich! Das gefällt mir, durch die Gegend kutschiert zu werden.", freute er sich wie ein kleines Kind.
"Geht das denn nicht noch lauter, Luca? Meine taube Tante in Alaska hat es noch nicht gehört!"
Beschämt senkte er den Kopf. "Tut mir Leid."
"Ja, ist schon gut."
Als wir ohne weitere Zwischenfälle die Wohnung erreichten, öffnete ich schnell die Haustür und bugsierte ihn herein. "So, da sind wir. Willkommen in deinem neuen Zuhause."
Afrika
"Das sieht gemütlich aus hier. Und es ist angenehm warm.", sagte Luca nach dem ausgiebigen Rundgang durch alle Räume. Er zog sich die Jacke wieder aus und stellte sich dabei erneut sehr unbeholfen an, als würde er heute zum ersten Mal Stoff auf seiner Haut tragen.
Von wegen 'da wäre ich nicht so spärlich bekleidet', du kleiner Schuft.
Ich nahm ihm die Jacke ab und befestigte sie am Kleiderhaken, dann drehte ich mich wieder zu Luca um, der noch immer an der gleichen Stelle stand. Mit beiden Armen hinter dem Rücken verschränkt, schaute er mich erwartungsvoll an.
... diese Augen... wie schön sie glänzen...
*räusper*
... und dieser sinnliche Mund. Wie gerne würde ich ihn jetzt küs...
"Willst du mich die ganze Zeit nur noch anstarren?!?"
Mit diesen Worten holte er mich wieder zurück ins hier und jetzt.
"Entschuldige bitte. Es ist nur... du bist so...", stammelte ich vor mich hin und suchte nach passenden Worten.
"Du hattest mir vorhin etwas versprochen."
"Ach, echt? Hab ich das?"
"Ja, hast du."
Als er meine Begriffsstutzigkeit bemerkte, füllten sich seine Augen mit Tränenflüssigkeit. Er schaute traurig an sich herab und hielt eine Hand schützend vor sein...
Ach du dickes Ei! Wie konnte ich das bloß vergessen!
"Dann schwing deinen knackigen Hintern mal aufs Sofa und spreiz deine Beinchen."
"Bitte was soll ich tun??"
"Na, wie soll ich dein bestes Stück denn sonst befestigen? Na komm schon, keine Angst. Ich bin auch ganz vorsichtig."
"Dass du aber bloß nicht in der falschen Körperöffnung landest!"
Um die andere Körperöffnung kümmere ich mich vielleicht auch mal. He he!
"Nein Luca, keine Panik."
"Duu?"
"Ja?"
"Wo liegt eigentlich Alaska?"
"Tja. Mal sehen..."
Ich berührte zärtlich seine rechte Brustwarze.
"Wenn hier China ist,..."
Langsam fuhr ich mit meinem Finger nach links und umkreiste seine andere Brustwarze.
"...dann ist hier in etwa Alaska."
"Das kitzelt.", lachte er vergnügt.
Mein Finger entfernte sich von seiner Brustwarze und glitt weiter nach unten und stoppte schließlich an seinem Bauchnabel. Luca schloss genussvoll seine Augen.
"Und hier..." verkündete ich stolz "sind wir."
Wie in Trance öffnete er wieder seine Augen. Dann nahm er meine Hand und sagte:
"Zeig mir Afrika!"
Luca amüsierte sich köstlich darüber, wie ich nach und nach verschiedene Teile des Globus auf seinem Körper projizierte. Aber unsere kleine Sightseeing Tour neigte sich dem Ende zu.
"Jetzt fehlt nur noch Australien."
"Tatsächlich? Ich denke, du hast mich schon überall berührt."
"Nein, eine Stelle fehlt noch."
Ich umschlang seinen Körper mit beiden Armen und erfasste mit meinen Händen seinen Hintern.
"Oh!" Er schaute mich verwundert an.
"Aber... Ist Australien nicht klein?"
"Ja, da hast du recht. Aber dein Hintern ist auch nicht sonderlich groß."
Dafür aber um so knackiger...
"Was meinst du mit knackiger?", schaute er mich verdutzt an.
Mist! Hab ich das etwa laut gesagt??
"Ähm... knackig? Also, ich meinte... Hast du Lust auf was zu knabbern?"
Luca sah mich neugierig an und machte es sich auf dem Sofa bequem, während ich in die Küche ging und mit diversem Knabberzeugs wieder zurückkehrte.
Er schaute sich alles sehr befremdlich an, probierte aber von allem.
"Daf fmeckt aber fehr gut..."
"Man spricht doch nicht mit vollem Mund."
Während Luca damit beschäftigt war sich kleine Häppchen in den Mund zu schieben und genüsslich darauf herumkaute, konnte ich meine Augen nicht von ihm abwenden.
Ich beobachtete ihn, wie er so da saß und sich auf das Essen konzentrierte, wie er seine zarten Finger abschleckte, wie er mit seiner Zunge über seine sinnlichen Lippen fuhr, um Krümel zu entfernen.
Ich könnte ihn auf der Stelle vernaschen!
Plötzlich schaute Luca mich an.
Hab ich das etwa wieder laut gesagt?!
Oder kann er Gedanken lesen??
"Dachtest du etwa, ich merke nicht, wie du mich die ganze Zeit anstarrst?", grinste er mich an.
Dieses Kerlchen bringt mich noch um den Verstand.
Und das schlimme daran ist, er scheint sich dessen bewusst zu sein.
Um wieder klare Gedanken zu bekommen, stand ich auf und lief quer durchs Zimmer. Da war doch noch etwas.
"Ich habe da noch etwas für dich, Luca."
"Für mich?"
Ich holte eine Schachtel Schokolade hervor und überreichte sie ihm.
Erfreut nahm er die Schachtel entgegen.
"Oh! Das ist lieb von dir. Mir hat noch nie jemand was geschenkt. Vielen Dank."
Gerührt betrachtete er sein Geschenk und dann wischte er sich kleine Freudentränchen aus dem Gesicht.
Ich nahm ihn in den Arm und flüsterte ihm sanft ins Ohr:
"Schön, dass es dich gibt, Luca."
Die Fernbedienung des Grauens...
"Oh! Welch herrliches Wetter wir heute haben. Ein strahlend blauer Himmel und weit und breit keine Wolken in Sicht."
Ich stand vor meinem Wohnzimmerfenster und starrte hinaus.
Trostloser konnte es draussen kaum sein. Der Blick zum Himmel wurde von einer grauen Wolkendecke versperrt. Dass dahinter irgendwo die Sonne scheint, ließ sich anhand der Tageszeit nur erahnen. Die Äste und Blätter der Bäume bewegten sich im Rhythmus des kalten Windes. Instinktiv drehte ich die Heizung ein wenig höher.
Seitdem Luca bei mir eingezogen ist, sitzt er die meiste Zeit nur auf dem Sofa. Das wollte ich heute ändern, also flunkerte ich weiter:
"Da kommt ein Nachbar mit seinem Einkauf nach Hause. Sieht alles nach Grillzeug aus. Bestimmt gibt es heute nachmittag eine Grillparty.
Willst du nicht auch mal raus gucken?"
"Ach, ich weiß nicht. Meine Gelenke knacken so. Ich habe Angst mich zu sehr zu bewegen."
"Das kommt wohl eher davon, dass du dich zu wenig bewegst."
"Meinst du? Hmm... Magst du mir helfen aufzustehen?"
Auch das noch! Na schön.
Ich griff Luca unter die Arme und zog ihn ein paar Zentimeter nach vorne. Ich spürte meinen schneller werdenden Pulsschlag.
"Es ist äußerst erstaunlich, dass du mit deinem schlanken Körper so schwer bist."
"Soll ich nicht doch lieber hier sitzen bleiben?"
Ja, das könnte dir so passen!
Diesmal umschlang ich mit einem Arm seinen Oberkörper und schob meinen anderen Arm unter seine Beine. Erneut schafften wir nur wenige Zentimeter.
Ein paar Schweißperlen liefen mir übers Gesicht.
"Ich frage mich, woher du dieses muskulöses Sixpack hast..."
"Das frage ich mich auch."
Na klasse.
Ein weiteres Mal umschlang ich Luca, dessen Füße mittlerweile den Boden berührten, und zog ihn nach vorne, bis er stehen konnte.
Plötzlich rang ich nach Luft und spürte einen leichten Schwindel.
"Ich fürchte, das wird wohl nichts", keuchte ich, während ich mich an Luca festhielt.
"Schade. Können wir denn nicht was vom Sofa aus machen? Lass uns doch einen Film gucken."
"Ja, warum nicht."
Ich kramte in meiner DVD Sammlung und suchte nach passenden Filmen, die Luca gefallen könnten.
"Wie wärs denn mit... Hey!"
Plötzlich ging der Fernseher an. Luca muss wohl die Fernbedienung gefunden und den Einschaltknopf gedrückt haben.
"Was sind das hier für lustige bunte Knöpfe??"
Die Lautstärke erhöhte sich drastisch.
"Mach das wieder leiser, das ist ja unerträglich. Gib mir mal die Fernbedienung."
"Ja, gleich."
Auf dem Bildschirm erschien ein Menü.
"Verstell da bloß nichts! Gib mir bitte das Ding."
"Moment."
Der Fernseher wurde wieder dunkel.
Und es erschien der Hinweis, einen Sendersuchlauf zu starten.
"Ok, das reicht jetzt. Gib das her!"
"Aber ich möchte doch verstehen, wie das hier funktioniert."
Während ich versuchte, ihm die Fernbedienung aus der Hand zu reißen, wich er mir aus und stopfte sie sich vorne in seine Hose.
Ist das jetzt die Trotzphase?!
"Ich zeig dir gleich, wie das funktioniert!"
Ich griff nach seinem Shirt und zog es ihm über seinen Kopf.
Perplex fuchtelte er wild mit seinen Armen herum.
Diesen Überraschungsmoment nutzte ich zu meinen Gunsten und zog die Fernbedienung aus seiner Hose heraus.
"Das war aber gemein.", protestierte Luca und zog sich dabei das Shirt zurecht.
"Was ist eigentlich mit deinen Gelenken? Ich dachte, die knacken so."
"Das tun sie ja auch."
"Aber mit deinen Fingern bist du ganz schön flink."
"Da sind doch keine Gelenke drin."
"Ach nein?"
Da fiel mir was ein. Er wollte doch eine Massage haben... Hehehe!
"Du wolltest doch vorhin eine Massage haben."
"Oh ja! Bekomme ich jetzt eine?"
"Wenn du das möchtest, dann massier ich dich."
Und dann werden wir doch mal sehen, wie ungelenkig du bist!
am nächsten Morgen...
„Du liegst ja immer noch im Bett. Los, los, los! Raus aus den Federn!“
Schlaftrunken reckte Luca seinen Kopf, der noch größtenteils von der Bettdecke verdeckt war, langsam nach oben und protestierte laut gähnend, während er krampfhaft versuchte seine müden Augen zu öffnen.
„Ich mag noch nicht aufstehen. Kann ich ein bisschen länger liegen bleiben?“
Den Abend zuvor verbrachten wir noch eine Weile vor dem Fernseher, nachdem Luca mir letztendlich doch die Fernbedienung überließ.
„Du hast lange genug geschlafen. Zeit zum aufstehen.“
„Nur noch fünf Minuten…“, murmelte Luca durch die Bettdecke, die sich mittlerweile wieder über seinem Kopf befand und versuchte erneut einzuschlafen.
Das darf doch nicht wahr sein, dachte ich mir, schlich mich heimlich ans Fußende des Bettes und griff nach der Decke. Als ich sie langsam von ihm wegzog, griff er schnell danach, zog sie schwungvoll wieder zurück und vergrub sich darunter. Nun lagen seine zarten Füßchen frei.
Ich berührte seine Fußsohlen und fing an ihn zu kitzeln. Mit einem dumpfen „Nein, nicht!“ von unterhalb der Decke zog er seine Beine ruckartig ganz dicht an seinen Körper heran.
Ich tigerte um das Bett herum und fing an ihn an seinem Oberkörper zu kitzeln.
„Lass das!" Wild zappelnd wehrte er sich mit einer Hand, während die andere krampfhaft die Decke festhielt, um mich davon abzuhalten, sie auch von dieser Bettseite aus wegzuziehen.
Hoffentlich bekommen die Nachbarn von diesem Spektakel nichts mit…
Ich lief wieder zurück zum Fußende, ergriff mit beiden Händen seine Füße und zog ihn halb aus dem Bett heraus. Mit einer ohrenbetäubenden Mixtur aus fluchen und kreischen krallten sich seine Finger in das Spannbetttuch, gleichzeitig strampelte er wild mit seinen Beinen und schaffte es letztlich, sich aus meinem Griff zu befreien.
Die Nachbarn müssen wohl denken, hier findet gerade häusliche Gewalt statt!
Während er zurück ins Bett krabbelte und sich dabei in die Decke einrollte, flitzte ich erneut nach vorne und schnappte mir im letzten Augenblick das Kissen, bevor Luca sich wieder darauf legen konnte.
Als er das bemerkte, streckte er laut aufschreiend seine Arme aus, um nach dem Kissen zu greifen, verfing sich in die halb um ihn herum gewickelte Decke, verlor dabei das Gleichgewicht und mit einem lauten Knall landete er mitsamt Bettzeugs auf dem Boden.
Ob jetzt schon jemand den Notruf gewählt hat?
Besorgt schaute ich zu, wie Luca sich langsam erhob und sich auf die Bettkante setzte.
„Jetzt bin ich wach. Bist du nun zufrieden?“
„Tut mir Leid, Luca. Hast du dir weh getan?“
„Nein, schon gut.“
Irgendwo aus weiter Ferne ertönten Sirenen.
Jetzt geht’s los…
„Hörst du die Sirenen? Bestimmt hat sich ein Nachbar über den Lärm beschwert.“
„Du hast angefangen!“, sagte Luca in einem vorwurfsvollen Ton.
Die Sirene kam näher in unsere Richtung.
Nervös ging ich zum Fenster und hielt danach Ausschau.
Hinter mir hörte ich ebenfalls Geräusche. Luca muss wohl endlich aufgestanden sein. Im Augenwinkel sah ich, wie er neugierig vor einem Regal stand, welches vollgestopft war mit verschiedenen Büchern, einem Korb und einigen kleinen Aufbewahrungskisten.
Aufgeregt drückte ich meine Nase fest gegen die Fensterscheibe. Weit konnte die immer lauter werdende Sirene nicht mehr sein, vielleicht noch eine oder zwei Straßen entfernt.
In der Zwischenzeit raschelte Luca an dem Korb und wühlte in den darin befindlichen Sachen herum. Was sucht er da bloß?
Während er weiterhin mit dem Regal beschäftigt war, schaute ich immer noch gebannt nach draussen.
Durch die mittlerweile durch meine Atmung beschlagene Fensterscheibe konnte ich schon Blaulicht ausmachen. In Windeseile kam das Fahrzeug angerast und fuhr an unserer Wohnung vorbei.
Erleichert darüber, löste sich langsam meine Anspannung.
*BÄM*
Wie vom Blitz getroffen erstarrte ich vor Schreck und blieb wie angewurzelt stehen.
Für einen Moment schien mein Herz kurz auszusetzen.
Als ich mich langsam aus meiner Schockstarre löste, fuhr ich herum und sah Luca, wie er mich mit erhobenen Armen und ängstlichem Blick musterte.
Vor seinen Füßen lag der Korb und sein Inhalt hat sich quer über den Boden verteilt.
Huch!
Oops!
Wenn das so weitergeht, steht gleich das Sondereinsatzkommando vor der Tür!
Ich hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da durchdrang das schrille Läuten der Türklingel jede einzelne Zelle meines Körpers. Allmählich brach mir der Schweiß aus, während ich mir vorstellte, das sich die komplette Nachbarschaft, mit Fackeln und Mistgabeln bewaffnet, vor der Haustür versammelt. Zittrig und mit weichen Knien näherte ich mich der Haustür zu und öffnete sie zaghaft einen Spalt.
Draussen stand lediglich der Postbote und schaute mich gelangweilt an. Er überreichte mir ein paar Briefe und ein Päckchen und ging sogleich wieder weg.
Hab ich was bestellt?!?
Verwundert nahm ich alles entgegen und ließ beim hereingehen die Tür wieder ins Schloss fallen.
Knapp einem Herzinfarkt entkommen, wischte ich mir den kalten Schweiß von der Stirn.
Ich legte die Sachen erstmal beiseite und setzte mich erschöpft aufs Bett, ließ mich langsam nach hinten auf den Rücken fallen und streckte meine Arme von mir weg.
„Warum sagst du denn nicht gleich, dass du das Bett mal kurz für dich alleine haben möchtest? Wir hätten uns das ganze Theater vorhin ersparen können.“, grinste er mich frech an und rannte in geduckter Haltung schnell an mir vorbei, um dem Kissen, das geradewegs auf ihn zu flog, auszuweichen.
Nach einer wilden Verfolgungsjagd quer durch die Wohnung und anschließender Kissenschlacht sanken wir erschöpft auf die Couch.
Nach kurzer Zeit stand Luca auf und ging zum Regal. Verwundert schaute ich ihm hinterher und dann sagte er:
"Ich sollte wohl besser das Chaos wegräumen, das ich vorhin verursacht habe."
"Oh prima, dann schaue ich mal die Post durch."
Es war nichts atemberaubendes dabei, nur die üblichen Rechnungen und lästige Werbung. Dann nahm ich das Päckchen in die Hand und öffnete es vorsichtig mit einem kleinen Messer.
Verwundert nahm ich eine Stoffhose heraus. Im Päckchen befand sich außerdem noch ein Sweatshirt.
Mit einem unschuldigen Lächeln im Gesicht erklärte Luca: "Ich habe ein paar nette Sachen gefunden, die mir passen, dann muss ich nicht mehr deine Sachen tragen."
"Aber der Schrank ist doch randvoll mit Anziehsachen..."
"Ja, schon, aber etwas eigenes für mich wäre doch auch schön."
"Natürlich, das verstehe ich. Obwohl es schon süß ist, wenn du meine Sachen trägst."
Luca grinste verlegen.
Er zog seine Hose aus, streifte sein Oberteil vom Körper und legte beides ordentlich über die Lehne eines Stuhls.
"Oder gar nichts."
Nun erröteten seine Wangen leicht. Daraufhin probierte er seine neue Hose an, zupfte hier und da am Stoff und zog sie verlegen etwas zurecht.
Nach kurzer Zeit sagte er, wieder etwas gefasst:
"Vielleicht solltest du auch gelegentlich neue Sachen bestellen, ich habe gehört, in Kleiderschränken verschwinden von Zeit zu Zeit die Sachen..."
"Wo hast du den Blödsinn denn her?"
"Irgend so eine aus einem Forum."
"Aha..."
Dann probierte er noch sein neues Sweatshirt an und war begeistert von den neuen Sachen.
Alles passte genau. Es sah sehr bequem aus und er fühlte sich darin sofort wohl.
"Das sieht sehr chic aus. Wo hast du das denn bestellt?"
"Bei Dollsche & Banana."
"Oh, das ist aber nicht gerade günstig."
"Wir sollten mit den neuen Sachen aber aufpassen, wenn sie im Kleiderschrank sind."
"So ein Blödsinn. Die Leute kaufen billig und wundern sich, dass es nicht lange hält, und dann sind natürlich die Kleiderschränke schuld."
"Wie wäre es denn mit einem kleinen Test? "
Ich schaute ihn begierig an und konnte mir ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen.
"Du ziehst die neuen Sachen aus, legst sie zusammen mit den alten Sachen in den Kleiderschrank und wir schauen nach einer Weile nach. Du wirst sehen, es wird alles in Ordnung sein."
"Aber dann habe ich ja nichts an."
"Genau."
Seine Wangen bekamen wieder etwas mehr Farbe und ich bemerkte ein dezentes Leuchten in seinen Augen.
Langsam zog er sich sein Sweatshirt aus, dann ließ er seine Hose nach unten gleiten, hob nacheinander seine Füße an und setzte sie daneben ab. Wie in Zeitlupe bückte er sich nach unten, nahm die Hose vom Boden auf, griff nach den restlichen Kleidungsstücken und legte alles zusammen in den Schrank, dann drehte er sich zu mir und schaute mich schüchtern an.
"Dir scheint etwas kalt zu sein.", sagte ich und ging grinsend auf ihn zu.
"Ja, sehr." Als ich vor ihm stehen blieb, nahm er mein Gesicht sanft in seine Hände und zog mich näher zu ihm ran.
"Wolltest du heute nicht den Tag im Bett verbringen?"